Fahrradcorso entlang der Route des Todesmarschs
Nach der Kranzniederlegung durch Oberbürgermeister Thomas Nitzsche an der Camsdorfer Brücke besuchten wir weitere Stationen auf der Strecke des Todesmarsches: den Spielplatz an der Schlippenstraße, die Robert-Büchler-Stele und die Gembdenbachbrücke. Eine Station blieb unbesucht, das Grab auf dem Ostfriedhof. 14 Menschen, deren Namen, Alter, Herkunft wir nicht kennen, liegen dort begraben. 14 Menschen, die am 11.4.1945 in dieser Stadt auf offener Straße ermordet wurden. Zwei weitere liegen auf dem Nordfriedhof.
Am 11. April 1945 wurden kurz vor Befreiung des KZ Buchenwald über 4000 Gefangene von Großschwabhausen quer durch die Innenstadt von Jena über Großlöbichau weiter Richtung Eisenberg getrieben. Dabei kam es zu Morden an Gefangenen u.a. am Spielplatz an der Schlippenstraße und in Großlöbichau.
Zitate von Zeitzeugen an den einzelnen Stationen:
Camsdorfer Brücke: "Ein erbarnungswürdigeres Bild habe ich in meinem ganzen Leben nicht mehr gesehen. Ausgemergelt, mit eingefallenen grauen Gesichtern, in Lumpen gekleidet und halb verdurstet setzten sie ihre qualvollen Schritte fast torkelnd über das Pflaster." (Erinnerung von Renate Riemeck, damals 20 Jahre alt)
Spielplatz Schlippenstraße: "Mein Bruder zog mich aufgeregt die Schlippenstraße hinauf zu unserem Spielplatz. Dort oben zog eine endlose Kolonne Menschen die „Straße der SA“ vorbei, gehetzt von bewaffnetem deutschen Militär und kläffenden Hunden. Ich sah die sich mühsam voranschleppenden, erschöpften Menschen in gestreifter Einheitskleidung. Und dann sah ich das Entsetzliche.: Gleich hinter der Spielplatzabgrenzung lagen drei dieser Menschen in ihrem Blut. Sie hatten sich wohl zum Ausruhen auf die Eisenstangen gesetzt und waren erschossen worden. – Sie waren hinten über gefallen, lagen auf unserem Spielplatz. Ein angstvolles Grauen erfasste mich, und ich rannte die Schippenstraße hinunter nach Hause." (Interview 2013 mit Anneliese Burwitz, damals ein Kind)
Robert-Büchler-Stele: Robert Jehoshua Büchler wurde als 16jähriger an dieser Stelle im Todesmarsch am 11. April 1945 vorbeigetrieben. Hinter Eisenberg glückte ihm die Flucht. US-Truppen brachten den Halbverhungerten nach Jena, in die am Sportplatz am Jenzig damals vorhandenen Baracken – Er erholte sich und sagte später: „In Jena bin ich zum zweiten Mal geboren.“ Er war seit den 80er Jahren oft in Jena und hat an Schulen mit jungen Menschen gesprochen. Denen sagte er: „Ihr jungen Deutschen tragt keine Schuld, aber unsere Geschichte ist euer Erbe.“
Gembdenbachbrücke: "Es war ein so wahnsinniges komisches Geräusch von diesen hunderten und tausenden armen Menschen, weil die hatten ja alle Holzschuhe an … Und die Wehrmachtssoldaten, die den Auftrag hatten, … haben die armen zwei Leute unter die Brücke des Gembdenbaches geführt. Dort wurden diese zwei Häftlinge, das weiß ich ganz genau, aber es können auch dreie gewesen sein, unter die Brücke geführt und dann ging es Peng! Peng! Peng! Peng! Und da waren sie tot." (Otto N., damals ein Kind von 8 Jahren)
Einige Namen der ca. 4000 Menschen, die damals im Häftlingszug waren: Robert J. Büchler aus der Slowakei, Kasimierz Dorman aus Polen, Miroslav Heil aus Tschechien, Karel Kandelkow aus Bulgarien, Danil Klowskij aus Weißrussland, Leon Kolenda aus Polen, Franz Lipowski aus Deutschland, Josef Lorenz aus Tschechien, Victor Mauch aus Tschechien, Herman Neudorf aus Deutschland, Otto Noack aus Deutschland, Engelbert Oberhauser aus Deutschland, Jan Stern aus Polen, Ilja Stojanov aus Bulgarien, Stanislaw Wieluński aus Polen.